Afrikas neue Positionierung in einer multipolaren Welt – The Mail & Guardian
Afrikanische Staaten müssen eine Strategie der Resilienz und Selbständigkeit verfolgen.
Die globale Machtstruktur verlagert sich weg von der langjährigen unipolaren Dominanz des Westens und führt zu einer multipolaren Welt, in der Schwellenländer eine zunehmend bedeutende Rolle spielen. Historische und wirtschaftliche Veränderungen haben die Position Afrikas in der Welt geprägt. Historisch gesehen war Afrika aufgrund des Kolonialismus, der wirtschaftlichen Ausbeutung und der globalen Machtverhältnisse in globalen Angelegenheiten marginalisiert. Afrika steht nun vor der Herausforderung, sich in dieser sich schnell verändernden Umgebung zurechtzufinden.
Der gegenwärtige Moment bietet Afrika eine beispiellose Gelegenheit, die Kontrolle über seine wirtschaftliche Zukunft zu übernehmen. Der geopolitische Wettbewerb zwischen den globalen Mächten bietet afrikanischen Regierungen eine Silberstreif am Horizont, da sie diesen Wettbewerb nutzen können, um mehr Ressourcen von den Wettbewerbern zu erhalten, wie Investitionsströme, Entwicklungshilfe, Infrastrukturfinanzierung und bessere Handelsabkommen, um ihr sozioökonomisches Wachstum zu fördern.
Afrika bleibt trotz des Mangels an großen Waffenherstellungseinrichtungen der weltweit größte Empfänger von Waffen und Munition, da die meisten der laufenden bewaffneten Konflikte weltweit auf dem Kontinent stattfinden. Paradoxerweise ist der Kontinent zwar die Heimat der höchsten Anzahl von Friedenstruppen, steht aber auch weltweit vor der größten Anzahl von Konflikten. Trotz des Besitzes der weltweit größten Jugendbevölkerung, umfangreicher Landressourcen, reichlich Sonnenschein, bedeutender Wasserflächen und der Landwirtschaft als zentralem Pfeiler seiner Wirtschaft bleibt Afrika die ärmste Region der Welt und leidet weiterhin unter schwerer Nahrungsmittelunsicherheit. Diese krassen Widersprüche verdeutlichen die dringende Notwendigkeit für Afrika, die systemischen Probleme bewaffneter Konflikte, des Klimawandels und der Unterentwicklung anzugehen und unterstreichen die erhebliche Arbeit, die für die wirtschaftliche und soziale Emanzipation des Kontinents erforderlich ist.
Die aufkommende Weltordnung
Die Entwicklung Afrikas wurde von historischen Kräften wie dem transatlantischen Sklavenhandel, dem Kolonialismus und dem Kalten Krieg sowie zeitgenössischen Themen wie dem Wirtschaftsnationalismus und Handelsbeschränkungen geprägt. Während die Welt in eine multipolare Ordnung übergeht, steht Afrika vor einer einzigartigen Reihe von Problemen. Diese Probleme resultieren nicht nur aus dem Erbe der Vergangenheit, sondern auch aus den Komplexitäten der Navigation in einer sich schnell verändernden globalen Landschaft. In dieser neuen Ära wird die Fähigkeit Afrikas, Chancen zu nutzen und Risiken zu mindern, entscheidend für sein Wachstum und seine Entwicklung sein. Der Übergang zu einer multipolaren Weltordnung stellt Afrika vor mehrere Herausforderungen, darunter:
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Geopolitische Instabilität: Der Übergang zu einer multipolaren Weltordnung bringt eine komplexere und oft instabile geopolitische Umgebung mit sich. Afrika, das bereits mit Problemen wie politischer Instabilität, Konflikten und fragilen staatlichen Institutionen zu kämpfen hat, könnte einem verstärkten Wettbewerb um Einfluss und Ressourcen von globalen Mächten gegenüberstehen. Dies könnte die Bemühungen zur Schaffung dauerhaften Friedens und Sicherheit auf dem Kontinent weiter komplizieren.
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Wirtschaftliche Abhängigkeit und Ungleichheit: Afrika wurde lange Zeit durch Kolonialismus und den transatlantischen Sklavenhandel wirtschaftlich ausgebeutet, was viele Länder auf den Export von Rohstoffen und ausländische Hilfe angewiesen hat. In einer multipolaren Welt könnte Afrika weiterhin mit den Herausforderungen der Diversifizierung seiner Wirtschaften, dem Aufbau nachhaltiger Industrien und der Bewältigung der tief verwurzelten Ungleichheit zwischen Ländern und innerhalb von Ländern kämpfen.
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Fremde Intervention und Einfluss: Mit dem Wettbewerb der globalen Mächte um Einfluss in Afrika besteht die Gefahr, dass externe Interventionen zunehmen und die Region destabilisieren könnten. Ob durch militärische Präsenz, wirtschaftlichen Einfluss oder Soft-Power-Taktiken, afrikanische Länder könnten Schwierigkeiten haben, zwischen konkurrierenden ausländischen Interessen zu navigieren, ohne ihre Souveränität oder Entwicklungsziele zu opfern.
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Handelshemmnisse und Wirtschaftsnationalismus: Handelsbeschränkungen und Wirtschaftsnationalismus werden wahrscheinlich häufiger auftreten, da Staaten ihre inländischen Industrien und strategischen Interessen priorisieren. Dies könnte die Handelsbeziehungen Afrikas beeinträchtigen, den Zugang zu ausländischen Märkten einschränken und die Bemühungen des Kontinents, sich in die globale Wirtschaft zu integrieren, stören.
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Technologie- und digitale Kluft: Technologie und digitale Innovation sind entscheidend für wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt. Afrika steht jedoch vor erheblichen Barrieren bei der Technologieadoption, darunter unzureichende Infrastruktur, begrenzter Zugang zu Bildung und mangelnde Investitionen in Forschung und Entwicklung. Ohne gezielte Investitionen in indigene Innovation und politische Rahmenbedingungen besteht die Gefahr, dass Afrika im digitalen Zeitalter zurückgelassen wird und Ungleichheiten innerhalb und zwischen Staaten verschärft werden.
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Klimawandel und Umweltzerstörung: Afrika ist besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels, wie Wüstenbildung, extreme Wetterereignisse und steigende Meeresspiegel. Der Übergang zu einer multipolaren Welt könnte dieses Problem verschärfen, da globale Mächte sich stärker auf kurzfristige geopolitische Interessen konzentrieren als auf langfristige Umweltschutzmaßnahmen. Darüber hinaus könnten afrikanische Länder Schwierigkeiten haben, auf die finanziellen und technologischen Ressourcen zuzugreifen, die zur Bewältigung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen erforderlich sind.
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Soziale Unruhen und Migration: Wirtschaftliche Instabilität, politische Dysfunktion und externe Intervention könnten soziale Unruhen schüren, was zu erhöhter Migration sowohl innerhalb Afrikas als auch in andere Regionen führen könnte. Dies könnte zu einem „Brain Drain“ von Fachkräften sowie zu einem erhöhten Druck auf bereits strapazierte öffentliche Dienste in Gastländern führen.
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Sicherheit und Terrorismus: Mit der Verschiebung des globalen Machtgleichgewichts könnte sich Afrika im Fadenkreuz globaler Sicherheitsbedenken befinden, insbesondere in Regionen, die bereits von terroristischen Organisationen und insurgenten bewaffneten Gruppen geplagt sind. Die Präsenz globaler Mächte in Afrika könnte Spannungen verschärfen, die aus dem strategischen Wettbewerb um Einfluss und Zugang entstehen, und auch gewalttätigen Extremismus von widerständigen Gruppen fördern.
Afro-Resilienz umarmen
Kwame Nkrumah, Ghanas visionärer Führer, forderte Afrika auf, „weder nach Osten noch nach Westen zu schauen, sondern nach vorne“. In diesem Sinne forderte der Präsident afrikanische Staaten auf, ihre kollektive Macht und Souveränität zu behaupten und ihren eigenen Weg zum Fortschritt und zur Einheit zu bestimmen. Um diese Vision zu verwirklichen, müssen afrikanische Regierungen die volle Autonomie über die Friedens-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungsagenda des Kontinents bewahren – dies ist die Essenz der Afro-Resilienz. Afro-Resilienz bezieht sich einfach gesagt auf die Fähigkeit afrikanischer Länder und ihrer Bevölkerung, sich an interne und externe Herausforderungen anzupassen, sich zu erholen und zu gedeihen, indem sie ihre reiche Geschichte und ihren unerschütterlichen Willen nutzen.
Afro-Resilienz ist die Fähigkeit Afrikas, sich an interne und externe Herausforderungen anzupassen, sich zu erholen und zu gedeihen. Es beinhaltet die Stärkung wirtschaftlicher, sozialer, politischer und Umweltsysteme zur Förderung nachhaltiger Entwicklung. Dieses Konzept fordert einen Abschied von der Abhängigkeit von externen Mächten und eine Hinwendung zu selbsttragendem Wachstum.
Strategische Empfehlungen
Um die aufkommende multipolare Welt zu navigieren und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen, muss Afrika eine mutige, vielschichtige Strategie verfolgen, die sich auf die folgenden Säulen konzentriert:
- Industrialisierung und Wertschöpfung
Afrika muss den Übergang von einem Rohstoffexporteur zu einem Kontinent, der seinen Ressourcen Mehrwert verleiht, vollziehen. Dies erfordert Investitionen in Infrastruktur, Technologie und Humankapital. Die Industrialisierung wird jedoch durch eine unzureichende Energieversorgung behindert. Um dies zu lösen, können regionale Kooperationsmechanismen wie der Southern African Power Pool genutzt werden, um Energieressourcen zu teilen. Marokkos Initiativen im Bereich erneuerbarer Energien, wie das Noor Ouarzazate Solar Complex, dienen als vorbildliche Modelle für nachhaltige Energielösungen.
- Optimierung des intra-afrikanischen Handels und der regionalen Integration
Die AfCFTA bietet eine Plattform für wirtschaftliche Integration. Die vollständige Ratifizierung und Umsetzung des AfCFTA-Abkommens sind entscheidend. Darüber hinaus werden die Reduzierung von Zöllen, die Durchführung von Markterhebungen zur Identifizierung von Wertschöpfungskettenmöglichkeiten und die Sicherstellung des Marktzugangs für kleine und mittlere Unternehmer den Handel innerhalb des Kontinents verbessern.
- Transformative Führung und rechenschaftspflichtige Regierungsführung
Eine effektive Regierungsführung ist für die Entwicklung Afrikas unerlässlich. Aus diesem Grund müssen Führungskräfte Transparenz, Rechenschaftspflicht und Rechtsstaatlichkeit priorisieren. Transformative Führung, die ethisch und visionär ist, wird das Vertrauen der Investoren fördern und nachhaltige Entwicklung fördern.
- Nutzung strategischer Allianzen
Angesichts der unberechenbaren und beispiellosen Verschiebung des geopolitischen Landschaftsbildes sollte Afrika seine Beziehungen zu aufstrebenden Volkswirtschaften im globalen Süden stärken. Die Süd-Süd-Kooperation kann alternative Kapitalquellen, Technologien und Handelspartnerschaften bieten, die mit den Entwicklungszielen Afrikas übereinstimmen.
- Finanzielle Souveränität
Die Verringerung der Abhängigkeit von externer Verschuldung und die Erhöhung der inländischen Ressourcenmobilisierung werden afrikanische Staaten befähigen, unabhängige wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Institutionen wie die Afrikanische Entwicklungsbank und die Afreximbank spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung des Handelsfinanzierungs- und Industrialisierungsbemühungen.
- Nachhaltige Entwicklung und grünes Wachstum
Die Betonung der Nachhaltigkeit in Entwicklungsplänen wird Afrika als Vorreiter in der grünen Wirtschaft positionieren. Investitionen in erneuerbare Energien, nachhaltige Landwirtschaft und grüne Infrastruktur können neue Wachstumswege erschließen und gleichzeitig die Herausforderungen des Klimawandels angehen.
- Nutzung indigenen Wissens
Indigenes Wissen, das auf Generationen von gemeinschaftlicher Weisheit beruht, bietet praktische Lösungen für nachhaltige Entwicklung, Bildung und Umweltschutz. Traditionelle Patentgesetze schützen jedoch nicht ihren kollektiven Charakter. Um diese Ressource zu nutzen, müssen afrikanische Staaten traditionelle Praktiken dokumentieren und bewahren, in Entwicklungsstrategien integrieren und die Menschen stärken. Die Stärkung nationaler Rechtsrahmen, die Unterstützung von Gemeinschaftsprotokollen und die Unterstützung internationaler Abkommen wie dem Nagoya-Protokoll sind entscheidend, um fairen Schutz und Nutzenausgleich sicherzustellen. Die Wertschätzung indigenen Wissens geht nicht nur um Gerechtigkeit, sondern ist ein Weg zur Resilienz und Selbständigkeit.
Die Zukunft Afrikas in einer multipolaren Welt hängt von seiner Fähigkeit ab, seine Strategien neu auszurichten und Chancen für Transformation zu ergreifen. Der Übergang zu einer multipolaren Weltordnung bietet Afrika sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Der Rückgang der traditionellen westlichen Hilfe hat afrikanische Länder dazu veranlasst, sich auf Selbständigkeit zu konzentrieren. Im Jahr 2024 trugen allein die Überweisungen 100 Milliarden US-Dollar zur Wirtschaft Afrikas bei und übertrafen die US-Hilfe um mehr als das achtfache. Diese Verschiebung unterstreicht das wachsende wirtschaftliche Handeln des Kontinents und die Bedeutung der Nutzung inländischer Ressourcen und Partnerschaften im globalen Süden.
Letztendlich geht es bei Afro-Resilienz darum, Afrika zu ermächtigen, sein Schicksal zu gestalten, seine Handlungsfähigkeit auf der Weltbühne zu behaupten und die Herausforderungen der modernen Ära zu überwinden, während es sein vielfältiges Erbe und Potenzial ehrt. Indem Afrika sich auf Industrialisierung, regionale Integration, transformative Führung, strategische Allianzen, finanzielle Souveränität und nachhaltige Entwicklung konzentriert, kann es sich neu ausrichten, um in dieser neuen globalen Landschaft zu gedeihen. Ein vereintes, zukunftsorientiertes Afrika – eines, das aus seinen historischen Erfahrungen lernt und sich an sich verändernde globale Dynamiken anpasst – kann in dieser neuen Weltordnung gedeihen. Obwohl die Afrikanische Union ihre Vision bis zum Jahr 2063 festgelegt hat, ist die Zeit für Maßnahmen jetzt.
Dan Kuwali ist Senior Research Fellow am Africa Institute of South Africa, dem Human Sciences Research Council, und außerordentlicher Professor für internationales Recht am Centre for Human Rights der University of Pretoria.