Seit der Französischen Revolution, mit ihren Mottos „liberté, égalité, fraternité“ hat der Diskurs über den Zusammenhalt geopolitischer Einheiten hat mal mehr, mal weniger heftige Wellen geschlagen, aber eines ist klar: Eine gesunde soziale Einheit braucht fraternité oder, in moderner Terminologie, sozialer Zusammenhalt.
Der Grad des sozialen Zusammenhalts ist ein Indikator für das Wohlergehen des Landes. Die Menschen handeln im Interesse des Gemeinwohls und umgehen nicht die sozialen Regeln, um ihre persönlichen Interessen zu verfolgen. Sie identifizieren sich mit ihrem Land und seinen Institutionen; sie fühlen sich von den Behörden fair behandelt; sie akzeptieren die Lebensweise anderer Menschen, behandeln sie mit anfänglichem Vertrauen und integrieren sie in ihre unmittelbaren sozialen Netzwerke. Der soziale Zusammenhalt ist der Weg zu Glück und Optimismus.
Wenn in den letzten Jahren in Südafrika über den sozialen Zusammenhalt gesprochen wurde, dann mit einem zunehmend kritischen Unterton. Man hat das Gefühl, dass die Regenbogennation auseinander driftet. Die von Caryn Abrahams vom Gauteng City-Region Observatory, einer Partnerschaft zwischen der University of the Witwatersrand, der University of Johannesburg und der Regierung von Gauteng, ausgewerteten Daten deuten darauf hin, dass der soziale Zusammenhalt im Lande auf dem absteigenden Ast ist oder zumindest nicht mehr wächst.
Es gibt jedoch kaum belastbare Daten, die dieses Gefühl bestätigen. Daher hat das Inclusive Society Institute (ISI) eine Studie der Constructor University Bremen in Auftrag gegeben, um ein Instrument zur Messung des Niveaus des sozialen Zusammenhalts in den südafrikanischen Provinzen zu entwickeln, das sich an dem für den Bertelsmann Social Cohesion Radar entwickelten Ansatz orientiert. Ein Messinstrument wie dieses ist für jede Nation wichtig, erst recht für eine Nation, die eine geteilte Vergangenheit hinter sich hat.
Das Bremer Forschungsteam hat 60 Fragen aus der Khayabus-Syndikatsstudie zusammengestellt, die zweimal jährlich von Ipsos Südafrika durchgeführt wird und an der sich das ISI beteiligt, um seine GovDem-Umfrage zu erstellen. Es testet, wie die ausgewählten Items anzuwenden sind, um die neun Dimensionen des sozialen Zusammenhalts zu bewerten – intakte soziale Netzwerke, allgemeines Vertrauen, Akzeptanz von Vielfalt, Identifikation mit dem Land, Vertrauen in seine Institutionen, wahrgenommenes Maß an Fairness, Maß an Solidarität und Hilfsbereitschaft, Respekt für soziale Regeln und ein hohes Maß an politischer Beteiligung, die das ISI als demografische Integration, Verbundenheit mit dem Land und Gemeinschaftssinn kategorisiert hat.
Aus den Daten der GovDem-Umfrage des ISI wird deutlich, dass die Entwicklung des südafrikanischen Index für sozialen Zusammenhalt überfällig ist. Dreißig Jahre nach dem Beginn der neuen Regierung haben sich beunruhigende Trends abgezeichnet.
In Bezug auf die demografische Integration ist ein Abwärtstrend zu beobachten, bei dem 40 % der Weißen ihren schwarzen Mitbürgern vollständig oder einigermaßen vertrauen und 41 % der Schwarzen ihren weißen Mitbürgern vollständig oder einigermaßen vertrauen. Nur 48% der Südafrikaner vertrauten Menschen, die einer anderen Religion als ihrer eigenen angehörten, vollständig oder einigermaßen, und nur 43% der Südafrikaner vertrauten Menschen anderer Nationalitäten vollständig oder einigermaßen.
Besonders besorgniserregend war die Feststellung, dass 68% der Südafrikaner Einwanderern aus anderen afrikanischen Ländern nicht vertrauten, und etwa 66% vertrauten Einwanderern aus Übersee nicht. Es gibt jedoch auch Grund zur Hoffnung: 69% der Befragten gaben an, dass sie ein vereintes Südafrika wollen.
Was die Verbundenheit mit dem Land betrifft, so ist die Lage auch hier nicht gut. Etwa 11% der Besserverdienenden und der Personen mit Hochschulbildung zogen eine Auswanderung in Betracht. Bei den Weißen und Indern sind es 15% bzw. 14%.
Auf der positiven Seite ergab sich ein weitaus gesünderes Bild in Bezug auf den Gemeinschaftssinn der Südafrikaner. Etwa 75% der Befragten stimmten zu oder stimmten voll und ganz zu, dass es wichtig ist, sich in der Gemeinschaft, in der sie leben, zu engagieren. 47% stimmten zu oder stimmten voll und ganz zu, dass es wichtig ist, sich für das Wohlergehen ihrer Gemeinschaft einzusetzen, und 58% gaben an, dass sie aktiv nach Möglichkeiten suchen, wie sie Menschen unterstützen können, die weniger Glück haben als sie selbst.
Die Daten deuten darauf hin, dass es wichtig ist, dass die politischen Entscheidungsträger der Förderung eines viel höheren Niveaus an sozialem Zusammenhalt im Land besondere Aufmerksamkeit schenken, insbesondere angesichts des eher prekären Niveaus von Wirtschaftswachstum und Entwicklung.
Der soziale Zusammenhalt ist weit mehr als ein kulturelles Gebot. Er wirkt sich auf alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens aus. Er ist notwendig, um Vertrauen in Unternehmen und Investitionen zu schaffen, die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, und er ist notwendig, um ein friedliches und stabiles Umfeld zu gewährleisten. Sie fördert ein Gefühl der Zugehörigkeit und schafft Hoffnung für die Zukunft für alle Bürger, die dann einen Platz für sich selbst in dem Land sehen. Dies schafft Vertrauen und Patriotismus unter den verschiedenen Gemeinschaften des Landes, die dann gemeinsam an der Schaffung von Wohlstand und einer gemeinsamen Zukunft arbeiten.
Professor Klaus Boehnke von der Technischen Universiät in Bremen, Deutschland, ist der Projektleiter für die Entwicklung des südafrikanischen Social Cohesion Index. Daryl Swanepoel ist Geschäftsführer des Inclusive Society Institute und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School for Public Leadership der Universität Stellenbosch.
Es handelt sich hierbei um Veröffentlichungen südafrikanischer Onlinemedien. Wir haben diese lediglich übersetzt. Dies soll eine Möglichkeit der freien Willensbildung darstellen. Mehr über uns erfahrt Ihr auf „Über Uns“